Vom Trinken und vom Fühlen
- Linda Fress
- Sep 7
- 3 min read
Updated: Sep 8
Man trinkt, sage ich, und man glaubt, man müsse trinken. Man trinkt, um zu entspannen, um Spaß zu haben, um locker zu sein, um erträglich zu sein, für sich selbst, für andere. Ich weiß nicht, wie es dir geht und ich will dir nichts unterstellen. Ich habe mich gerne in Form getrunken, denn meine Form hat mir oft nicht gepasst. Ich war mir nicht genug und mir war alles zu viel. Damit ist Sucht nicht beschrieben, damit soll niemandem unterstellt sein, Abhängigkeit sei eine Charakterschwäche. Das ist das Letzte, was ich sagen will. Aber wie holen wir uns da raus, wenn nicht, mit unseren Köpfen und Herzen? Ich möchte lediglich anregen, nachzudenken, denn einen Perspektivwechsel, den braucht es. Ich hab mich kleiner gemacht als ich bin und tue es auch jetzt noch ohne Alkohol, manchmal. Nur jetzt fällt es mir auf, und das ist ein Vorteil. Damit ändern sich Dinge.
Es geht ums Hirn. Und ich sage bewusst Hirn und nicht Gehirn, denn das klingt abfälliger. Ich habe nicht immer so viel fürs Hirn übrig, denn es ist nicht so schlau, wie´s tut. Dein Hirn und mein Hirn, unsere Gehirne, zu zweit sind wir schon schlauer find ich, sie verstehen nicht, dass Alkohol schadet. Was sich das Hirn merkt, ist nicht, was langfristig gut für uns wäre sondern was kurzfristig hilft. Und sind wir uns ehrlich, Alkohol hilft kurzfristig. Das ist ja das Fiese. Mein Hirn und dein Hirn, unsere Gehirne, sind wie meine Hündin. Dieser Labrador-Mischling, die alles frisst, was auf der Straße liegt, und sich freut, dieses Tier, das keine Ahnung hat, dass dieses ultra scharfe Kebapfleisch die Ursache ihrer Bauchschmerzen sein wird. Und wenn es soweit ist und ich hier Kacki nicht ins Sacki packen kann, weil der Aggregatzustand es nicht zulässt, dann hat sie keine Ahnung, warum das so ist. Sie hat sich nur eines gemerkt: Kebabfleisch ist lecker. That´s us. Ich kopiere den Satz von oben hier jetzt hinein, ein bisschen aus Faulheit aber vor allem, weil er wahr ist: Was sich das Hirn merkt, ist nicht, was langfristig gut für uns wäre, sondern was kurzfristig hilft. Und sind wir uns ehrlich, Alkohol hilft kurzfristig. Gleichzeitig wollen wir langfristig leben, also zumindest die meisten von uns und bitte hole dir Hilfe, wenn dem nicht so ist. In diesem Satz liegt keine Ironie und schon gar kein Sarkasmus. Ich verstehe gut, wenn man nicht mehr sein möchte, aber glaub mir, bitte, es wird besser werden für dich.
In Wahrheit leben wir eh nur einen Moment, wenn man unsere Zeit mit der restlichen vergleicht und bitte, das soll kein Anlass sein, die Kostbarkeit der Momente in Alkohol zu ertränken. Es sollte Anlass sein, sie so intensiv wie möglich wahrzunehmen.
Alkohol betäubt unsere Sinne und das kann als extrem angenehm empfunden werden. Wir müssen schließlich immer so viel denken und mich nervt das auch. Ich will aber fühlen, ich will das alles fühlen und ich will aufhören können zu denken, das will ich können, aus mir heraus. Das will ich mir nicht abnehmen lassen und wie viele Tage sind bitte im Arsch, wie viele Tage hab ich verpennt, weil ich am Abend und bis in den frühen Morgen hinein zu wenig gedacht habe? Ich mag, dass ich denken kann, das hab ich lieb gewonnen.
Wir glauben, das Glas in der Hand sei das Leben und das Leben sei nur in diesem Glas zu finden und ohne Glas sei man nichts. Dabei kann ich erst ohne dieses Glas alles sein, was ich will. So geht es mir und allen, mit denen ich bisher gesprochen habe, die aufgehört haben zu trinken. Die aufgehört haben sich dieser Illusion hinzugeben.
Vielleicht hast du Angst. Natürlich hast du Angst. Wer bin ich ohne Alkohol, fragst du dich, wie rede ich, wie sitze ich, wie tanze ich, wie interagiere ich, wie lebe ich ohne diese Droge, die mich hält, die mich beruhigt, die mich stützt? Der Grund für die Angst ist der Alkohol und da muss man mal um die Ecke denken. Aber das kriegt das Hirn wieder mal nicht hin. Der Alkohol ist der Grund für den ganzen Stress und das muss man sich mal klarmachen erst. Das ist gar nicht so leicht, sich das klar zu machen. Du wirst sehen, mit ein wenig Übung, stellst du irgendwann fest: Sobald du aufhörst, nimmt sie ab, die Angst, sie löst sich auf, zersetzt sich in ihre Einzelteile und du erkennst: Du warst immer fähig, zu leben, zu lachen, zu lieben - ohne das Glas in deiner Hand.
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